Ist Lernen im Schlaf möglich?
Sich über Nacht eine neue Sprache aneignen oder aber einfach im Schlaf für die kommende Klassenarbeit oder auf die anstehende Prüfung vorbereiten, das klingt aufgrund der geringen Anstrengung nahezu traumhaft.
Aber ist es tatsächlich möglich, sich schlafend neues Wissen anzueignen? Kann man während der Nachtruhe wirklich Lernen? Im Schlafmagazin gehen wir diesen Fragen genauer auf den Grund und versuchen eine Antwort darauf zu geben, ob Lernen im Schlaf tatsächlich möglich ist.
Ist Lernen im Schlaf möglich?
In der Wissenschaft gibt es einige Belege dafür, dass es einen Zusammenhang zwischen Schlaf und Gedächtnis gibt. So soll das Schlafen einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass sich Erinnerungen und Erlerntes im Gehirn verfestigen. Die Umkehrthese, also, dass der Entzug von Schlaf dazu führt, dass es zu Einbußen in der Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses beim Menschen gibt, scheint durchaus auch hinreichend bewiesen zu sein.
Die Forschung hat in der jüngeren Vergangenheit versucht, herauszufinden, welche Rückschlüsse sich daraus auf das Lernen ziehen lassen. Es ist nämlich nicht nur so, dass eine müde Person mit geringerem Erfolg lernt, sondern auch so, dass das Schlafen selbst Komponente eines physiologischen Prozesses zu sein scheint, welcher eine Erfahrung in etwas umwandelt, was wir als Erinnerung im Gedächtnis behalten.
Durch Experimente stellte man fest, dass Personen, denen man eine Fähigkeit beigebracht hatte oder die eine beliebige Reihe von Handlungen lernen sollten, ein deutlich verbessertes Erinnerungsvermögen zeigten, wenn sie vor der Abfrage des Ergebnisses eine Stunde schlafen durften. Der Schlaf – als „Zwischenbeschäftigung“ nach dem Erlernen / Üben und vor der Abfrage / dem Zeigen – führt also zu einer Erhöhung der Abrufbarkeit statt zu einer Reduzierung. Beim Schlaf scheint es sich entsprechend um eine Form von „Verbindungsmasse“ zu handeln, welche einen Anteil daran hat, dass Erinnerungen im Gedächtnis haften bleiben.
Video: Lernen im Schlaf – Funktioniert das? – schoolseasy
Durchschlafen ist wichtig fürs Gedächtnis
Schweizer Neurowissenschaftler haben in Studien herausgefunden, dass eine erholsame Nachtruhe förderliche Effekte auf den Lernprozess hat und für eine merkliche Verbesserung der Informationsspeicherfähigkeit des Gehirns sorgt. In einem ihrer Versuche schnitt eine Probandengruppe, die durchschlafen durfte, in Gedächtnistests wesentlich besser ab als eine Vergleichsgruppe, bei der der Schlaf wiederholt gestört / unterbrochen worden war.
Wichtig für das so genannte deklarative Gedächtnis sind die Tiefschlafphasen. – Im Zusammenhang mit dem deklarativen Gedächtnis geht es um das Merken von Episoden und Fakten, Geschichten und Vokabeln. Eine ausreichende Menge an Tiefschlaf ist also für den Lernerfolg beispielsweise im Rahmen der Schulausbildung oder auch eines Studiums ein maßgeblicher Faktor.
Aber auch der Traumschlaf bzw. REM-Schlaf ist für das Lernen bzw. die Ablage von Erfahrungen im Gehirn von Bedeutung. Während dieser Schlafphase speichert unser Körper vor allem prozedurale Fertigkeiten ab. Dabei handelt es sich um motorische Abläufe, welche wir im Normalfall ohne Nachdenken ausführen. Dazu gehören zum Beispiel sportliche Aktivitäten wie das Radfahren, Schwimmen oder auch Tanzen.
Schlaf verbessert die Merkfähigkeit
Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf veröffentlichte 2008 eine Studie mit 26 Teilnehmern im Alter zwischen 20 und 29 Jahren mit regelmäßigem Nachtschlaf. Die Probanden hatten keinerlei Kenntnisse über die genauen Untersuchungsfragen sowie das Studienziel. Sie sollten in einer Zeitspanne von zwei Minuten eine Adjektiv-Liste mit 30 Wörtern auswendig lernen. Anschließend wurde eine Ruhe- bzw. Schlafphase durchgeführt, bevor eine Abfrage der zuvor gelernten Wortliste erfolgte.
Insgesamt führten die Wissenschaftler der HHU Düsseldorf zwei Experimente durch, um zu untersuchen, wie sich Schlafperioden sowie Phasen des ruhigen Wachseins auf die Merkfähigkeit von Wortlisten auswirkt. Beim ersten Experiment wurde die Ruhephase auf eine Stunde festgelegt. Während dieser 60 Minuten konnten die Studienteilnehmer entweder ein Nickerchen halten oder auch wach bleiben. Man konnte dabei feststellen, dass die Erinnerung der Probanden, die geschlafen hatten, im Vergleich zu denen, die die Ruhephase wach verbracht hatten, wesentlich besser ausfiel.
Darüber fanden die Forscher heraus, dass es zwischen der individuellen Abrufleistung der gemerkten Wörter – dem Erinnerungsvermögen – weder einen Zusammenhang mit der Dauer des Schlafes noch eine Verbindung zur Tiefe des Schlafes gibt.
Zur Klärung der genauen Bedeutung der Schlafdauer, ergänzten die Wissenschaftler im zweiten Experiment eine dritte Bedingung. Diese erlaubte den Teilnehmern eine Schlafzeit von lediglich sechs Minuten Länge. Dabei konnte festgestellt werden, dass schon diese geringe Schlafdauer die Abrufleistung gegenüber der Wachbedingung erheblich steigern konnte.
Wenn man die Ergebnisse beider Experimente miteinander vergleicht, zeigt sich, dass vom Schlaf unter sämtlichen Bedingungen positive Effekte auf das Gedächtnis ausgehen. Es könnte sein, dass unmittelbar beim Einsetzen des Schlafes Prozesse der aktiven Gedächtnisfestigung gestartet werden, welche im Weiteren selbst dann nicht an Wirkung verlieren, wenn der Schlaf schon nach kurzer Zeit wieder beendet wird.
Wer viel lernt, muss viel schlafen?!
Es gibt Vermutungen, dass eine Verbindung zwischen Gedächtnis und Schlaf auch der Grund dafür ist, dass Kinder einen besonders hohen Schlafbedarf haben. Tag für Tag nehmen Kinder große Mengen an Informationen auf, lernen fortwährend neue Fertigkeiten und Dinge, weshalb man davon ausgeht, dass zur Verarbeitung dieser Flut an Erkenntnissen und Erfahrungen viele Stunden Schlaf erforderlich sind.
Probleme mit dem Gedächtnis im Alter – ein Schlafproblem?
Forscher versuchten auch einen Zusammenhang zwischen den Schwierigkeiten mit dem Erinnerungsvermögen im fortgeschrittenen Lebensalter und den Effekten des Schlafes auf das Gedächtnis herzustellen.
In Ratten-Experimenten mit jungen und alten Tieren zeigte sich, dass die Jungratten ihre Erinnerung an den Wege-Plan eines Labyrinths durch Schlaf intensivieren. Zur Feststellung führten die Wissenschaftler Messungen der neuronalen Aktivität bei den Ratten durch. Diese Messungen erfolgte zunächst während der Inspektion des Labyrinths sowie anschließend noch einmal als die Ratten schliefen.
Bei den jungen Ratten bemerkte man dabei neuronale Aktivitätsmuster, welche große Ähnlichkeiten zu den Aktivitätsmustern aufwiesen, welche im Zuge ihres Aufenthalts im Labyrinth hervorgebracht worden waren. Daraus leitete man die Annahme ab, dass im Schlaf quasi eine Art des Zurückspulens der Informationen stattfand, um diese als Erinnerung abzuspeichern und so am folgenden Morgen davon zu profitieren, wenn es erneut auf Nahrungssuche ins Labyrinth geht.
Die älteren Ratten aus den Experimenten konnten sich hingegen die Muster nicht einprägen und entsprechend auch nicht als Erinnerung im Gedächtnis ablegen. Man vermutete daher, dass die reduzierte Schlafqualität der alten Ratten keine sinnvolle Verarbeitung der Erinnerungen aus dem Labyrinth erlaubte, weshalb sich diese Tiere am nächsten Tag im Labyrinth verliefen.
Daraus kann man grob ableiten, dass sich eine nicht ausreichende Schlafqualität im Alter negativ auf die Gedächtnisfähigkeiten und Lernfähigkeiten auswirkt. Darüber hinaus sollten junge Menschen ihren Schlaf bzw. die Qualität und Quantität ihres Schlafes auch stets im Blick haben, um sicherzustellen, dass neu Erlerntes auch sicher ins Gedächtnis aufgenommen und als abrufbare Erinnerung zur Verfügung steht. Dieses ist insbesondere vor anstehenden Klassenarbeiten oder Prüfungen von großer Relevanz.