Gesundheitscheck: Schlafbezogene Essstörung

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Schlafbezogene Essstörung - Essen im Schlaf

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Bestimmte Dinge sind für unser Überleben und unsere Gesundheit unverzichtbar, dazu gehören eindeutig der Schlaf und das Essen bzw. die Nahrungsaufnahme. In beiden Teilbereichen unseres Lebens kann es zu Störungen kommen, die sich negativ auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden auswirken. In seltenen Fällen gibt es auch eine kombinierte Störung, so dass Schlaf- und Essverhalten gemeinsam beeinträchtigt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer schlafbezogenen Essstörung.

In unserem Artikel erklären wir Ihnen, worum es sich bei der schlafbezogenen Essstörung genau handelt, welche Symptome mit dieser Schlafstörung einhergehen und informieren Sie über die Therapiemöglichkeiten bei Vorliegen einer schlafbezogenen Essstörung.

Schlafbezogene Essstörung – Was ist das?

Die schlafbezogene Essstörung gehört zu den Parasomnien. Unter einer Parasomnie versteht man Verhaltensauffälligkeiten, welche in erster Linie aus dem Schlaf heraus in Erscheinung treten. Auf Englisch wird die schlafbezogene Essstörung als Nocturnal Sleep-Related Eating Disorder oder kurz: NSRED (teilweise auch nur Sleep Related Eating Disorder, SRED) bezeichnet.

Betroffene einer schlafbezogenen Essstörung sind Schlafwandler, die sich nicht nur im Dämmerzustand während der Nacht durch die Wohnung bewegen, sondern auch essen, während sie schlafen. Durch das Schlafwandeln ist es möglich, den Kühlschrank, die Küche oder die Vorratskammer auch im Schlaf zu erreichen.

Am Tag nach der nächtlichen Speise-Exkursion erinnern sich Betroffene nicht daran, weil diese im Tiefschlaf stattgefunden hat. Sie wundern sich vielleicht über eine nicht durch das normale Essverhalten begründbare Gewichtszunahme oder über aus dem Kühlschrank verschwundene Lebensmittel, bringen dieses aber nicht mit der eigenen Person und dem eigenen nächtlichen (unbewussten) Verhalten in Verbindung. Werden unter einer schlafbezogenen Essstörung leidende Personen „auf frischer Tat“ geweckt, können sie aggressiv werden und werden trotz einer ggf. erdrückenden Beweislage, abstreiten, gegessen zu haben.


Nächtliches Esssyndrom

Von der schlafbezogenen Essstörung ist das nächtliche Esssyndrom abzugrenzen. Früher wurde beides gleichgesetzt, aber inzwischen differenziert man hier und betrachtet die schlafbezogene Essstörung und das nächtliche Esssyndrom vollständig unabhängig voneinander.

Im Gegensatz zur schlafbezogenen Essstörung wird das nächtliche Esssyndrom nicht als Parasomnie, sondern als kombinierte Ein- und Durchschlafstörung mit nächtlicher Heißhungerattacke angesehen. Es handelt sich nicht um eine Schlafstörung.

Das nächtliche Esssyndrom wird auch als Nacht-Esser-Syndrom, Night-Eating-Syndrome oder kurz: NES bezeichnet.

Nächtliches Esssyndrom - bei vollem Bewusstsein in der Nacht den Kühlschrank plündern

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Wer unter dem nächtlichen Esssyndrom leidet, ist bei seinen Handlungen – sprich bei der nächtlichen Nahrungsaufnahme – hellwach und bei vollem Bewusstsein. Vom nächtlichen Esssyndrom Betroffene wissen also im Gegensatz zu Personen mit einer schlafbezogenen Essstörung ganz genau, was sie tun.

Weitere Informationen im Internet:
Night Eating Syndrom – rp-online.de

Die schlafbezogene Essstörung kann für den Betroffenen aus verschiedenen Gründen gefährlich werden. Es besteht insbesondere ein erhöhtes Risiko für Verschlucken (und Ersticken), weil die Koordination im Schlaf bzw. schlafwandlerischen Zustand beeinträchtigt ist. Darüber hinaus werden teilweise nicht nur Lebensmittel im Schlaf konsumiert, sondern auch andere zum Teil ungenießbare oder sogar giftige Dinge wie Seife, Tiernahrung oder Abfall gegessen, so dass die Gesundheit ernsthaft beeinträchtigt werden kann. Da einige Menschen mit schlafbezogener Essstörung schlafwandelnd versuchen, ein komplettes Gericht zu kochen (!), gibt es außerdem ein potenzielles Risiko für Schnittverletzungen oder Verbrennungen.


Wer leidet an der schlafbezogenen Essstörung?
Wie kommt es zur schlafbezogenen Essstörung?

Unter einer schlafbezogenen Essstörung leiden geschätzt circa 1% bis 3% aller Menschen, wobei Frauen doppelt so häufig wie Männer betroffen sind.

Die schlafbezogene Essstörung tritt häufiger bei Personen auf, die auch an einer anderen Essstörung leiden.

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Die schlafbezogene Essstörung oder ein nächtliches Esssyndrom tritt bei etwa 10% bis 15% der Personen, die von einer „klassischen“ Essstörung wie Bulimie, Esssucht oder Magersucht leiden, auf. Auch Menschen, die unter einer anderen Schlafstörung wie Schlafwandeln oder dem Restless-Legs-Syndrom leiden, sind häufiger von einer schlafbezogenen Essstörung betroffen.

Zu den Auslösern für die schlafbezogene Essstörung sollen Stress bzw. bestimmte Stressfaktoren im Leben und Depressionen gehören. Darüber hinaus sollen auch einige Medikamente für das Auftreten dieser seltenen Parasomnie verantwortlich sein. Medikamente gegen ADHS und einige Schlafmittel kommen dafür bspw. infrage.

Auch Personen, die sich am Tag bezogen auf das Essen stark einschränken, tendieren eher zur Entwicklung der schlafbezogenen Essstörung. Während der nächtlichen „Ausflüge“ in die Küche werden dann vermehrt zucker- und fetthaltige Speisen zu sich genommen, die tagsüber tabu sind bzw. in wachem Zustand bewusst gemieden werden.

Bei der Entwöhnung vom Rauchen kann eine schlafbezogene Essstörung entwickelt werden.

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Gelegentlich entwickelt sich die schlafbezogene Essstörung auch bei Rauchern, die eine Entwöhnung machen. Wer also mit dem Rauchen aufhört und eine plötzliche starke Gewichtszunahme bemerkt, die nicht mit dem Essverhalten tagsüber vereinbar ist bzw. die auftritt, ohne dass die Essgewohnheiten geändert wurden, sollte abklären, ob womöglich die seltene Parasomnie dahintersteckt.


Wie erkennt man die schlafbezogene Essstörung? – Symptome

Grundsätzlich handelt es sich bei der schlafbezogenen Essstörung um eine Parasomnie mit relativ eindeutigen und gut erkennbaren Symptomen. Doch häufig haben Betroffene noch nie etwas von dieser seltenen Schlafstörung gehört und gelangen so nicht zur naheliegenden Lösung bzw. Erklärung.

Überblick der Symptome der schlafbezogenen Essstörung

  • Gewichtszunahme, die sich nicht durch das reguläre Essverhalten erklären lässt
  • Lebensmittel verschwinden auf unerklärliche Weise – oft handelt es sich dabei um besonders fetthaltige, stark zuckerhaltige oder kohlenhydratreiche Nahrung (Schokolade, Kekse, Chips…)
  • Auftreten einer Lebensmittelvergiftung aus ungeklärten Gründen
  • Wiederholte Magenverstimmung am Morgen
  • Küche am Morgen unordentlich, obwohl am Abend aufgeräumt verlassen
  • Befürchtung, den Verstand zu verlieren (aufgrund der unerklärlichen Ereignisse, Dinge)

Zusätzlich können auch die typischen Symptome eines Schlafmangels wie Tagesmüdigkeit, Reizbarkeit, Launenhaftigkeit oder Depression in Erscheinung treten.


Diagnose der schlafbezogenen Essstörung

Schlafbezogene Essstörung - Diagnose im Schlaflabor

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Ein Arzt kann die schlafbezogene Essstörung meist sehr schnell durch eine Untersuchung im Schlaflabor diagnostizieren. Darüber hinaus können auch ein Schlaftagebuch sowie Angaben des Partners starke Hinweise auf das Vorliegen der Parasomnie geben.

Durch das Essen im Schlaf kann sich auch der Hormonspiegel verändern. So sind bei Personen mit einer schlafbezogenen Essstörung die Spiegel von Melatonin und Leptin, die beide sowohl Einfluss auf den Schlaf und den Appetit nehmen, oft niedriger. Die Werte für das „Stresshormon“ Cortisol sind hingegen erhöht.


Wie wird die schlafbezogene Essstörung behandelt? – Therapie

Wenn Medikamente eingenommen werden, die möglicherweise für die schlafbezogene Essstörung verantwortlich sind, sollte gemeinsam mit dem behandelnden Arzt versucht werden, die Dosis anzupassen oder auf ein anderes Mittel auszuweichen, bei dem die „Nebenwirkung“ der schlafbezogenen Essstörung nicht gegeben ist.

Wer unter einer schlafbezogenen Essstörung leidet, braucht in der Regel Beratung und Unterstützung. Dabei geht es insbesondere darum, das eigene Verhalten zu ändern bzw. den eigenen Umgang mit Stress zu verbessern. Hilfreich dabei kann das Erlernen und die Anwendung verschiedener Entspannungstechniken sein. Damit können die Betroffenen mehr Kontrolle über die Gefühle, die ursächlich für die nächtlichen Ess-Exkursionen sind, erlangen.

Auf den Konsum von Koffein, Alkohol und Drogen sollte verzichtet werden, weil es dadurch zu noch mehr nächtlichen Ausflügen in die Küche kommen kann.

Ein lauter Handtaschenalarm an der Tür von Kühlschrank oder Vorratskammer kann dafür sorgen, dass man erwacht, wenn man die Tür öffnet und so mitbekommt, was man gerade vorhatte und sich dann bewusst dagegen entscheiden kann.

Zugang zu Kühlschrank, Küche und Vorratsraum sollte bei schlafbezogener Essstörung nicht abgeschlossen werden.

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Vorratsräume oder Kühlschrank sollten bei Vorliegen der schlafbezogenen Essstörung nicht zur Verhinderung nächtlicher Essgelage abgeschlossen werden. Verhindert man den Zugang zu den Nahrungsmitteln, kann es nämlich passieren, dass andere Sachen gegessen werden, die für den Körper wesentlich schädlicher als ein paar zusätzliche Pfunde sind.

Medikamentös wurden in schweren Fällen der schlafbezogenen Essstörung in der Vergangenheit häufig bestimmte Antidepressiva aus der Gruppe der Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer verschrieben, die neben ihrer stimmungsaufhellenden Wirkung auch Einfluss auf den Appetit nehmen sollten. Werden diese Medikamente allerdings längerfristig eingenommen, so – hat man mittlerweile festgestellt – führt dieses wiederum zu einer Gewichtszunahme. Ob dennoch ein Einsatz von Antidepressiva zur Behandlung der schlafbezogenen Essstörung sinnvoll ist, sollte der Arzt daher im Einzelfall genau abwägen und entscheiden.


Weitere Informationen zur schlafbezogenen Essstörung im Internet:


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Ulrich Carsten

Ulrich Carsten

Zertifizierter Bettenfachberater mit dem Schwerpunkt Matratzen in unserem Online-Shop Betten.at und seit 2011 Chef-Redakteur im Betten.at-Schlafmagazin.

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