Wie schlafe ich gut trotz Schichtarbeit? – Tipps & Tricks für Betroffene

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

junger Arzt müde im KrankenhausOb im Krankenhaus, am Flughafen oder hinter den Toren einer Werkshalle: in Deutschland arbeiten laut einer 2016 erhobenen Studie mehr als 17 Prozent der Erwerbstätigen regelmäßig in Schichtarbeit. Zwar ist der nächtliche Arbeitseinsatz gesellschaftlich wertvoll und für einige Geschäftszweige rentabel – auf die Gesundheit der Mitarbeiter wirkt sich der Nachteinsatz jedoch allzu häufig negativ aus.

Was Sie tun können, um sich vor den Auswirkungen der Schichtarbeit zu schützen und wie Sie zu Hause wenigstens gut in den Schlaf finden, erfahren Sie hier.


Warum ist Schichtarbeit eigentlich so kräftezehrend?

Wer in den Abend hinein arbeitet oder die gesamte Nacht über Dienst hat, kämpft kontinuierlich gegen seinen ureigenen, circadianen Rhythmus an. Dieser Biorhythmus ist eine Art physischer Taktgeber. Die innere Uhr steuert nicht nur den wichtigen Schlaf- und Wachrhythmus, sondern ebenso Atmung, Verdauung, Stimmung, Zellteilung, den Herzschlag und bei Frauen sogar den Menstruationszyklus.

Sind alle Abläufe im „Takt“, fühlt sich der Mensch gesund und leistungsfähig. Schichtarbeiter jedoch müssen permanent gegen ihre innere Uhr ankämpfen. Das ist nicht nur anstrengend, sondern schlägt sich häufig in gesundheitlichen Problemen nieder.

Was verschärft das Problem der Schichtarbeit zusätzlich?

Einige Faktoren führen dazu, dass die sowieso schon anstrengende Situation vom Arbeitnehmer als noch belastender wahrgenommen wird. Dazu zählen insbesondere lange Schichten (mehr als 8 Stunden am Stück), die Häufigkeit des Schichtwechsels sowie eine knappe Erholungszeit zwischen den jeweiligen Einsatzplänen (wenn beispielsweise ein freies Wochenende fehlt). Kommen dann am Arbeitsplatz noch Staub, Schmutz und Stress hinzu, gilt der Beruf arbeitsrechtlich gesehen als besonders belastend.

Viele Industriezweige und Berufsgruppen sind betroffen

  1. Baugewerbe: Straßenarbeiter, gewisse Bauberufe, Bergbau.
  2. Tourismusindustrie: Mitarbeiter in Hotellerie und Gastronomie, Piloten, Bodenpersonal oder Flug- und Kreuzfahrt-Crews.
  3. Dienstleistungsgewerbe: Taxi-, LKW- und Bahnfahrer, Bäcker, Tankstellenbetreiber, Winterdienst.
  4. Metallindustrie, Schwerindustrie und Maschinenbau: Monteure und Arbeiter.
  5. Medizinische und pflegende Berufe: Ärzte, Pfleger, Altenpfleger, Laboranten.
  6. Infrastruktur: Polizei, Feuerwehr, Justizvollzug, Wasser- und Energieversorger.

Gesundheitliche Folgen

gestresste Krankenschwester hat Kopfweh
Doch wie schädlich ist Schichtarbeit für die Gesundheit? Zwischen 70 und 90 Prozent aller Schichtarbeiter klagen im Laufe ihres Arbeitslebens über gesundheitliche Probleme, welche durch die Nachtarbeit verursacht werden. Die Symptome betreffen häufig nicht nur den Arbeitnehmer selbst, sondern ziehen sich bis ins familiäre, soziale und berufliche Umfeld hinein.

Einige Folgen der Schichtarbeit

  • Siebenfach erhöhte Unfallwahrscheinlichkeit.
  • Tagesmüdigkeit bis hin zu spontanen (ungewollten) Nickerchen.
  • Konzentrationsschwierigkeiten und Auftreten von Erinnerungslücken.
  • Nervosität und depressive Spannungen.
  • Magen-Darm-Beschwerden und Appetitlosigkeit.
  • Dreifach erhöhtes Risiko, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu erleiden.
  • Neigung zum Konsum von Nikotin, Alkohol und Medikamenten.
  • Höheres Risiko für die Entwicklung einer Krebserkrankung.

Kommt das wichtige circadiane System einmal kurz aus dem Takt, können wir das mit etwas Ruhe und Schlaf wieder ausgleichen. Wer aber über Jahre hinweg kontinuierlich im Schichtdienst arbeitet, muss umso mehr Wert auf Phasen der Erholung und Regeneration legen.

Faultier Finn untersucht mit LupeWussten Sie schon?
Bewiesen ist, dass jüngere Menschen besser damit zurechtkommen, in der Nacht aktiv sein zu müssen. Je älter der Arbeitnehmer wird, desto schwerer fällt ihm die berufsbedingte Zeitverschiebung.
Nicht geklärt ist der Umstand, warum Frauen prinzipiell schwerer damit zurechtkommen, in der Nacht arbeiten zu müssen. Bei ihnen zeigen sich statistisch gesehen mehr krankheitsbedingte Symptome, die mit dem Wechseldienst in Verbindung stehen, als bei Männern.

Schichtarbeit? Diese Dinge sollte man möglichst unterlassen

Nicht alle Nachtarbeiter haben Einfluss darauf, wie ihr Schichtplan aussieht und an welchen Nächten sie einsatzbereit sein müssen. Steuern lässt sich hingegen, was man selbst dazu beiträgt, um den Stress möglichst zu minimieren.

Versuchen Sie als Betroffener, auf diese Dinge zu verzichten, um nach dem Dienst zu Hause besser in den Schlaf finden zu können:

  • Kein Koffein
  • Der Wachmacher wirkt über eine lange Zeit hinweg im vegetativen Nervensystem nach. Etwa vier Stunden vor der bevorstehenden Schlafenszeit sollten koffeinhaltige Getränke deshalb komplett gemieden werden.

  • Kein Fernsehen, Tablet oder Spiele
  • Wer zur Tageszeit schlafen möchte, sollte die pulsierende Welt nicht in sein Schlafzimmer lassen. Aufregende Sendungen oder pfiffige Computerspiele beleben den Geist, statt ihn zu entspannen.

  • Keine Alkoholika
  • Bier oder Wein entspannen zwar zunächst, sorgen aber durch ihren aufwendigen Abbauprozess einige Stunden später für Unruhe im Organismus. Um nicht mitten in der wohlverdienten Ruhephase aufzuwachen, besser ganz darauf verzichten.

  • Keine Dickmacher
  • Ein fettreiches Frühstück mit gebratenen Eierspeisen liegt lange im Magen. Schwere Lebensmittel sollten vor dem Einschlafen besser nicht mehr verzehrt werden.

  • Nicht hungrig ins Bett gehen
  • Umgekehrt ist ein leerer Magen ebenso kontraproduktiv beim Eindämmern. Hilfreich ist vor dem Zubettgehen ein kleiner Snack in Form einer Banane, einigen Nüssen oder Quark.

  • Kein Sport
  • Auch wenn es praktisch erscheinen mag, sich nach vollendeter Schicht am Morgen dem örtlichen Lauftreff anzuschließen – Bewegung irritiert die innere Uhr zusätzlich. Lassen Sie die Schicht ruhig ausklingen und überanstrengen Sie sich nicht.

  • Keine Schlafmittel
  • Wer über Jahrzehnte hinweg einen Beruf in Schichtarbeit ausüben möchte, wird sein Arbeitsleben nicht mit Hilfe von abhängig machenden Medikamenten meistern können. Sie sollten nur in Ausnahmefällen eingenommen werden. Die Nachwirkungen können sich bis in die nächste Schicht hinein ziehen.


Mit diesen Tipps kommen Sie trotz Schichtarbeit besser zur Ruhe

Die Sonne geht auf und der Feierabend rückt näher! Nun sollte alles daran gesetzt werden, den Körper zu beruhigen und auf den bevorstehenden Tagesschlaf vorzubereiten.

Um besser zur Ruhe zu kommen, können diese Dinge hilfreich sein:

  • Dunkelheit
  • Wenn der Tag ständig präsent ist, stellt sich hormonell keine Ruhe ein. Deshalb: Zimmer abdunkeln und wenn nötig, eine Schlafmaske aufsetzen.

  • Ruhe
  • Es ist kein Geheimnis, dass Stille zur Entspannung beiträgt. Wenn das Umfeld tagsüber laut ist, helfen Ohrstöpsel. Ebenfalls hilfreich beim Einschlafen kann das sogenannte „weiße Rauschen“ sein. Das Geräusch könnte über das Handy abgespielt werden.

  • Achtsame Rituale
  • Es hilft ungemein, vor dem Zubettgehen immer wieder die gleichen Handlungsschritte zu vollziehen. Praktische Abfolgen sind etwa eine Tasse Tee trinken, ein warmes Bad nehmen, das Anziehen eines weichen Schlafanzuges, Zähneputzen, eine kleine Meditation machen oder ein gutes Buch lesen. Alles bitte immer in der gleichen Reihenfolge. Sodann: Licht aus.

  • Zweisamkeit
  • Zärtlichkeiten entspannen Körper und Geist gleichermaßen. Sanfte Berührungen stimmen aufs Hier und Jetzt ein und rücken die hektische Welt draußen in den Hintergrund.

  • Melatonin
  • Neue amerikanische Studien zeigen, dass das Hormon (in geringen Dosen) Schichtarbeitern helfen könnte. Es unterstütz die Entspannung und vertieft den Schlaf. In Deutschland ist das Medikament verschreibungspflichtig erhältlich. Weitere Informationen finden Sie in unserem Artikel bzgl. Melatonin

  • Lichttherapie
  • Die Lichtanwendung hilft dabei, den circadianen Rhythmus etwas verschieben zu können. Im Schein der Lampe ist man eher wach, weshalb man sich nach Möglichkeit während der Schicht davon bestrahlen lassen sollte.
    Großer Vorteil: Zur veränderten Schlafenszeit kommt man dann auch besser zur Ruhe und ist tatsächlich müde.

  • Raumtemperatur
  • Ist das Schlafzimmer kühl, schläft es sich eindeutig besser. Dafür bereits vor dem Schlafengehen alles kräftig lüften und notfalls mit einem Ventilator kühlen.

  • Umfeld integrieren
  • Nichts ist störender als lärmende Nachbarn und klingelnde Verwandte. Teilen Sie der Familie und den Menschen Ihrer Umgebung die aktuellen Schlafenszeiten mit. Dann fällt es allen leichter, ein wenig mehr Rücksicht zu nehmen.

Faultier Finn untersucht mit LupeInformationen zum Thema
Weitere hilfreiche Fakten sowie Tipps & Tricks zur Förderung eines guten Schlafs finden Sie in unserem ausführlichen Themen-Special:
Schlafförderung – Besser einschlafen, gut durchschlafen & entspannt aufwachen.

Das kann der Arbeitgeber tun, um Schichtarbeit erträglicher zu gestalten:

Wer in der Nacht arbeiten muss, hat es schon schwer genug. Forscher versuchen deshalb herauszufinden, wie die wichtige Arbeitsleistung erbracht werden kann, ohne dass dabei allzu große Beeinträchtigungen für den Betroffenen entstehen.
Das Problem: Jeder Mensch ist anders und reagiert damit abweichend auf die Beanspruchung. Eine pauschale Antwort darauf, wie Schichtpläne oder freie Arbeitstage optimiert werden können, gibt es nicht. Drei Empfehlungen kristallisieren sich jedoch heraus:

  • Den Schichtplan an den Biorhythmus anpassen
  • Es gibt Frühaufsteher und Nachteulen. Ziel ist es, diesen Menschen entsprechend angepasste Schichtpläne zu geben. Für Morgenmenschen bedeutet das, dass sie noch früher aufstehen und ihre Schicht mitten in der Nacht beginnen müssten.
    Die am Abend aktiven Personen hingegen würden am Tagesende mit ihrer Dienstzeit beginnen und in die Nacht hinein arbeiten.

  • Starre Schichtpläne
  • Fakt ist, dass wenn sich der Mensch erst einmal auf eine bestimmte Zeit eingestellt hat, er mit dem Intervall meist gut zurechtkommt. Deshalb wäre es prinzipiell sinnvoll, die Schichten fest zu vergeben. Damit entfällt das mühselige „Einpendeln“ der inneren Uhr nach dem Schichtwechsel.
    Großer Nachteil: Bekanntlich fällt es den betroffenen Arbeitnehmern dann noch schwerer, soziale oder familiäre Bedürfnisse auszuleben. Deshalb sind starre Schichtpläne nur bedingt empfehlenswert.

  • Nicht länger als drei Tage am Stück in Nachtschicht
  • Werden ein, zwei oder drei Nächte in Folge durchgearbeitet und schließen auf die Nachtschichten mindestens drei „normale“ Arbeitstage, kann sich der Mensch jeweils optimal erholen. Der Körper registriert die durchwachten Nächte als kurze Zeitverschiebung. Versäumter Schlaf kann in den folgenden Tagen nachgeholt werden.

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Ulrich Carsten

Ulrich Carsten

Zertifizierter Bettenfachberater mit dem Schwerpunkt Matratzen in unserem Online-Shop Betten.at und seit 2011 Chef-Redakteur im Betten.at-Schlafmagazin.

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