Wie träumen Blinde?
Das Thema Träume hat uns in der Vergangenheit schon häufiger im Schlafmagazin beschäftigt:
- Kleine Einführung in die Traumwelt
- Die Angst kommt im Traum: Albträume
- Traumforschung – Was genau ist ein Traum?
- Filme im Gehirn – was passiert, wenn wir träumen?
- Traumdeutung – was bedeuten unsere Träume?
- Traumfänger – das steckt hinter dem Trend
- Klarträumen – Was ist das? Wie geht luzides Träumen?
- Traumarten – Welche Arten von Träumen gibt es?
In unserem heutigen Schlafmagazin-Artikel wollen wir uns einmal mehr mit dem Träumen befassen und gehen der spannenden Frage nach: Wie träumen Blinde?
Hier kann man zunächst festhalten, dass auch blinde Menschen träumen. Wie diese Träume genau ausfallen bzw. wie sich die Träume von Blinden abspielen, hängt allerdings unter anderem davon ab, ob die Personen bereits von Geburt an blind waren oder erst im Laufe ihres Lebens erblindet sind:
Träume von Menschen, die seit Geburt an blind sind
Wer blind geboren wurde, erlebt Träume ohne Bilder. Ihr Traumerleben ähnelt häufig dem Erleben im Wachzustand, so führen Sie im Traum mit anderen Menschen Gespräche, hören Stimmen, nehmen Gerüche oder Geschmäcker wahr oder können Personen, Tiere oder Gegenstände berühren. Der blind geborene Mensch erlebt seine Träume also mit allen Sinnen, die ihm sonst auch während des Tages zur Verfügung stehen.
Video: Was träumen Menschen, die von Geburt an blind sind? | ARTE Family DE
Träume von Menschen, die erst sehen konnten und dann erblindeten
Personen, die sehend geboren wurden und erst zu einem späteren Zeitpunkt im Leben ihr Augenlicht verloren haben, verfügen meist noch über die Fähigkeit in Bildern zu träumen – selbst dann, wenn die Erblindung schon lange Zeit zurückliegt. Meistens handelt es sich bei den bildhaften Träumen der später Erblindeten um visuelle Eindrücke, die sie während ihrer sehenden Zeit gemacht haben. Die Träume führen die Blinden also in die Welt von Erinnerungen und Vorstellungen der Vergangenheit.
Mit der Zeit kann es bei Menschen mit einem späteren Verlust des Sehvermögens allerdings vorkommen, dass die Bilder in den Träumen der Blinden verschwinden und sich quasi in Schwarz-Weiß abspielen. Es kann auch passieren, dass die Traumbilder vollkommen verloren gehen und der Blinde die Träume dann so erlebt wie jemand, der noch nie in seinem Leben sehen konnte.
Neben den beschriebenen Träumen von Blinden, die entweder auf Sinneseindrücken oder auf Bildern (der Vergangenheit) basieren, beschreiben blinde Personen manchmal Träume, die eher abstrakt sind und nicht klar durch Sinneseindrücke geprägt werden. In derartigen Träumen herrschen Gedanken, Emotionen und Abstraktionen vor, die sich nur schwer erfassen und beschreiben lassen.
Studie aus Dänemark zum Thema: Wie träumen Blinde?
Im Jahr 2014 gab es eine Studie, die sich mit den Träumen von Blinden befasst hat und durch ein Team dänischer Wissenschaftler durchgeführt wurde. An dieser Studie haben insgesamt 50 erwachsene Probanden teilgenommen, wobei die Hälfte der Teilnehmer blind und die andere Hälfte als Kontrollgruppe sehend war. Die Gruppe der blinden Studienteilnehmer splittete sich noch einmal in elf Personen auf, welche bereits bei der Geburt blind waren und 14 Personen, die erst später nach ihrem ersten Lebensjahr erblindeten.
Im Rahmen der Studie gaben die Teilnehmer ihre Einwilligung über einen Zeitraum von vier Wochen unmittelbar nach dem Aufwachen einen digitalen Fragebogen auszufüllen, sofern sie einen Traum im Schlaf gehabt hatten. Die Teilnehmer ohne Augenlicht konnten den Fragebogen mithilfe einer speziellen Software, welche aus Text Sprache macht und umgekehrt, abarbeiten.
Der Fragebogen diente dazu, verschiedene Dinge und Faktoren des Traumes zu erfassen. So ging es unter anderem um das Thema des Traums, sensorische Empfindungen während des Traums und im Traum erlebte Emotionen. Außerdem wurden die Probanden gefragt, ob der Traum ein Albtraum war.
Bei allen Teilnehmern der sehenden Kontrollgruppe wurde zumindest von einem Traum mit visuellen Eindrücken berichtet, während derartiges Traumgeschehen bei Probanden, die von Geburt an blind waren, gänzlich fehlte. Bei den Personen, die erst später im Leben erblindet waren, war es so, dass es mehr oder weniger Traumbilder in Abhängigkeit zur Dauer der Blindheit gab.
Sensorische Eindrücke im Traum finden bei Blinden häufiger statt
Während in der Gruppe der blinden Probanden circa 18 Prozent von einem Geschmackserlebnis in mindestens einem Traum berichteten, traf dieses in der Kontrollgruppe nur auf 7 Prozent zu. Reduziert man die Gruppe der Blinden auf die Personen, die von Geburt an blind waren, so steigt die Quote auf 26 Prozent an, wenn es um einen erlebten Geschmack im Traum geht.
Ähnliches gilt für wahrgenommene Gerüche in einem Traum. – Dieses war bei beinahe 30 Prozent aller blinden Personen (bei den Blindgeborenen sogar 40 Prozent) in mindestens einem Traum der Fall gewesen, während ein Geruchserlebnis bei den Sehenden lediglich bei 15 Prozent in mindestens einem Traum aufgetreten war.
Im Zusammenhang mit der taktilen Wahrnehmung gaben bei den blinden Teilnehmern rund 70 Prozent (67 Prozent in der Gruppe der Menschen mit angeborener Blindheit) an, dass sie während mindestens eines Traumes Berührung erlebt hatten. In der sehenden Gruppe waren es lediglich 45 Prozent.
Geräusche in mindestens einem Traum wurden von 86 Prozent der Blinden (93 Prozent bei den Personen, die ohne Sehsinn geboren wurden) und von 64 Prozent der Teilnehmer aus der Kontrollgruppe registriert.
Thematisch und emotional gibt es kaum Unterschiede
Beim Vergleich der thematischen und emotionalen Schwerpunktinhalte der Träume wurde im Rahmen der Studie festgestellt, dass diese beinahe identisch ausfallen. So gab es innerhalb beider Gruppen in etwa die gleiche Menge an sozialen Interaktionen, Erfolgserlebnissen und Niederlagen in den Träumen. Das Auftreten von Gefühlen und Kuriositäten im Traum hielt sich bei den Blinden und Sehenden auch in etwa die Waage.
Starke Differenzen bei den Albträumen
Bei den Studienteilnehmern, die von Geburt an blind waren, lag der Anteil an Albträumen bei 25 Prozent, bei den Probanden mit „erworbener“ Blindheit waren es lediglich 7 Prozent und innerhalb der Kontrollgruppe nur 6 Prozent. Selbst nach Berücksichtigung der Schlafqualität, welche bei Blinden gemeinhin schlechter ist, blieb dieser Unterschied bei den Albträumen bestehen.
Eine genaue Erklärung dafür gibt es nicht, aber man geht davon aus, dass Albträume für den Organismus eine Form der Gefahrensimulation darstellen und so die Möglichkeit eröffnen, bereits im Traum für einen möglichen Ernstfall zu trainieren, ohne tatsächlich in Gefahr zu sein. Dafür spricht, dass Blinde davon berichten, dass sie im Albtraum in eine Grube gestürzt, von einem Fahrzeug angefahren oder sich in unbekanntem Gelände verirrt haben. Alles Situationen, die in der Realität auftreten können und von denen eine starke Gefahr ausgeht.